7. Kapitel – Das letzte Jahrhundert

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Eine völlige Umwälzung für die Landwirtschaft sowohl als auch für die Gutsherren und Bauern brachte 1810 die Aufhebung der Erbuntertänigkeit und Leibeigenschaft, die beiden Teilen zum großen Segen gereichte. – Um dies zu beweisen, möchte ich den „Auszug aus dem Catastrum revisorum der Hufen, Aussaat und Nutzbarkeit de 1686“ reden lassen. Danach säte jeder der Bauern 17 Scheffel Winteraussaat und 8 1/2 Scheffel Sommergetreide. Er gewann von 1 Scheffel Roggen 3 Stiege und von 1 Scheffel Gerste 3 Mandel, erntete 4 Fuder Heu und jagte zwei Schweine in die Eichen, wenn volle Mast vorhanden war. – Wie ganz anders sind heute die Ernten und Viehbestände!

Aus den Verhandlungen vom 28. März 1822, nach denen die zu leistenden Dienste der Hofwirte endgültig abgelöst wurden, erfahren wir, daß dieselben nachstehende Dienstverrichtungen bis dahin zu leisten hatten:

  • a) 104 unbestimmte Fuhren auf 1,2 und 3 Meilen Entfernung zum Weg- und Herbeischaffen aller Bedürfnisse und Erzeugnisse des Gutes. (Bei der Ablösung 1 Fuhre zu 8 Metzen Roggen.)
  • b) 6 Fuhren zum Herbeiholen des Gesindes (zu 8 Metzen)
  • c) 78 unbestimmte Kutschfuhren.
  • d) 35 Getreidefuhren nach dem Vorwerk Neuhof.
  • e) Fahren des Getreides nach der Neuhauser Mühle zu Brotkorn, Grütze, Graupen, Malz, Weizen und Mastkorn.
  • f) Fahren und Holen des Flachses von der Sprei. (4 Scheffel Aussaat)
  • g) Hocken des Roggens (jeder Bauer 4 Tage)
  • h) Säen des Winterkorns auf Neuhausen und Neuhof. (20 Wispel, jeder Hofwirt 4 Tage)
  • i) Spinnen des Flachses. (6 weibliche Arbeitstage, à = 2 Metzen)
  • k) Tragen des ausgebrochenen Korns (40 Wispel) nach dem Kornboden.
  • l) 104 kurze Botenreisen von 1-2 Meilen Entfernung. (à = 2 Metzen)
  • m) 9 lange Botenreisen bei einer Entfernung von 9 Meilen (à = 1 Scheffel)
  • n) 5 Taler Dienstgeld
  • o) 1 Taler 3 Groschen Pachtgeld
  • p) 12 Pachthühner

Unsere Bauern mußten also gewissermaßen ihrer Herrschaft die Post und Bahn ersetzen.

Folgende Gegenleistungen der Gutsseite verlangten die Dienstpflichtigen:

  • a) Beim Hocken des Roggens frei Essen und Trinken.
  • b) Beim Flachspinnen Speise und Getränk.

Trotz dieser bedrängten Lage war der Patriotismus Gemeingut bei Herren und Untertanen. Als 1813 des Königs „Aufruf an mein Volk“ erschien, da zogen auch aus unserem kleinen Dörfchen, um das verhaßte Franzosenjoch abzuschütteln, 3 Freiheitskämpfer in den heiligen Krieg: Johann Winst, der bei Leipzig verwundet wurde, Friedrich Zabel und Karl Maximilian von Winterfeld. Letzterer, der sich mit Blücher bei Lübeck hatte gefangen geben müssen, war 1813 wieder in die Armee eingetreten, nachdem er zuvor gesehen, wie eine große Feuersbrunst hieselbst am 16. und 17. Juni sämtliche Bauerngehöfte in Asche gelegt hatte. Das Verhalten des von W… war ein so rühmliches, daß er das eiserne Kreuz erhielt. – Es war ihm das Pferd unterm Leibe erschossen. Hilflos kam er in französische Gefangenschaft und wurde ganz entkleidet zu Fuß nach Wittenberg transportiert. bei der Erstürmung dieser Festung fand man ihn in den Kellern des alten Schlosses in einem kläglichen Zustande..

als 1864 der dänische Krieg ausbrach, zogen drei unserer Söhne, 1866 vier 1870-71 sogar 17 Männer und Jünglinge für das Vaterland in den Kampf. Alle, bis auf zwei Verwundete, kehrten aus den 3 siegreichen Kriegen unversehrt nach Hause zurück, ruhmbedeckt und mit Kriegsdenkmüntzen geschmückt. – Nach Beendigung des glorreichen Krieges wurde zum Gedächtnis der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches vor dem Schlosse die Friedenseiche gepflanzt mit der Inschrift:

Zur Erinnerung an den Friedensschluß

vom 2. März 1871.

Errungen durch Glaube, Treue, Tapferkeit.

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